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"Wir stürmen doch nicht nur über Linksaußen" (22.1.2001)
Artikel im Neuen Deutschland

Verfassungsschutz beobachtet den Leipziger Fußballklub "Roter Stern"

Der Leipziger Szene-Fußballklub "Roter Stern" ist ins Visier des sächsischen Verfassungsschutzes geraten. Dieser stuft die Kreisklasse-Spaß-Kicker als "Sportverein der linksextremistischen Szene" ein.

Bis zur Bundesliga dauert es noch zehn Jahre - vorausgesetzt, das derzeitige Aufstiegstempo kann beibehalten werden. Vorige Saison mischten die Fußballer des soeben gegründeten Vereins Roter Stern Leipzig die Stadtliga [war nur die dritte Kreisklasse, danke für die Blumen; der Tipper] auf, derzeit zieht die Elf aus der Südvorstadt unangefochtene Runden an der Spitze der 2. Kreisklasse.

Dass die Sterne auch in der Landeshauptstadt Aufmerksamkeit erregen, ist aber nicht den überlegenen Spielzügen ihrer Kicker geschuldet, sondern der Wachsamkeit sächsischer Verfassungsschützer. Diese studierten die Vereinspostille "Prasses Erben" und kamen zu dem Schluss, das es sich bei Roter Stern um einen "Sportverein der linksextremistischen autonomen Szene" handelt. Die Einschätzung erschien Mitte Dezember auf der Homepage des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV). Im Rahmen der "aktuellen Berichterstattung" sei der Text später wieder entfernt worden, hieß es auf ND-Anfrage. An der Einschätzung des Vereins habe sich aber nichts geändert, sagte ein Sprecher.

Der im Szeneviertel Connewitz beheimatete Verein selbst versteht sich als "politisches Kulturprojekt". Neben dem "Spielbetrieb verschiedener Sportteams will man Partys feiern - Devise: "Tanzen, Saufen, Raufen". Dank dieses Anspruchs können die Kicker auf den Rückhalt einer erwartungsfrohen Fangemeinde bauen: Während in dieser Liga üblicherweise ein Dutzend Zuschauer müde applaudieren, strömen zu den Spielen der Roten Sterne rund 300 Fans. Daneben stellt das "subkulturelle Projekt" auch "konkrete politische Ansprüche". Es gebe einen "gesunden Mix" aus Happening und Politik, sagt ein Vereinssprecher dem ND: "Fußball ist mehr als Stammtisch unter freien Himmel."

Die Positionsbestimmungen aber ließen bei den Verfassungsschützern die Warnlampen aufleuchten. Sie zitieren Passagen, in denen "die kapitalistische Ordnung als eine der freien Entfaltung des Menschen und seiner Persönlichkeit entgegenstehende Zumutung kritisiert" wird. Auch, dass die 120 Vereinsmitglieder sich mit sexistischen, rassistischen und nationalistischen Tendenzen auseinandersetzen wollen, wird erwähnt. Zudem versuche der Verein, "Herrschaftsverhältnisse der real bestehenden Gesellschaft aufzudecken und anzugreifen". Die Verfassungsschützer argwöhnen: "In dem Verein wollen Autonome offenbar Jugendliche für antifaschistische Themen mobilisieren." Der Verein reagiert mit amüsierter Verwunderung.

Man begrüße es, wenn sich Mitglieder politisch engagieren. Dazu zählen auch die im LfV-Bericht erwähnten Aktionen gegen die Videoüberwachung in Leipzig. Bei den Demonstrationen, die teilweise zu Konfrontationen mit der Polizei führten, waren Transparente von Roter Stern-Fans aufgetaucht. Videoüberwachung, so die Begründung, sei in Fußballstadien gängige Praxis. Was allerdings linksextremistischer Fußballer sein sollen, ist den Vereinsmitgliedern unklar: "Wir spielen doch nicht nur über Linksaußen!"

Verwundert zeigt sich auch Matthias Gärtner, sachsen-anhaltischer PDS-Fraktionsvize und Vereinsmitglied. Angesichts rechtsextremer Hooligan-Auftritte hätte ein Fußballverein, der sich gegen Rassismus engagiert, Unterstützung verdient, meint er. Statt dessen werde linkes Engagement "kriminalisiert". Gärtner will nun den sächsischen Innenminister Klaus Hardraht (CDU) um eine Erklärung bitten. Der sächsische PDS-Abgeordnete Falk Neubert, ebenfalls Roter Stern-Fan, erinnerte an frühere Beispiele fehlgeleiteter Observationslust in Hardrahts Zuständigkeitsbereich. 1999 wurde ein Lagebild des Staatsschutzes veröffentlicht, in dem grüne Naturschützer erwähnt wurden. "Wenn so etwas als Aufgabenfeld angesehen wird, hat der Verfassungsschutz sein Ziel verfehlt", meint Neubert. Bei den Roten Sternen sieht man die Verfassungsschützer derweil in der Abseitsfalle: Während gekickt wird, heißt es ironisch, "machen wir keine Weltrevolution."

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